Bergwandern und Bergsteigen liegt voll im Trend. Immer mehr Menschen wollen ihre Freizeit in den Bergen verbringen. Und so werden auch die Alpen immer voller. Weicht man aber zeitlich oder räumlich aus, kann man Overtourism vermeiden und die positiven Effekte für Landschaft und Bevölkerung erhöhen.
An bekannten Seen und auf beliebten Gipfeln drängeln sich in der Saison die Menschen, überfüllte Parkplätze sind in den deutschen Alpen schon fast an der Tagesordnung – und das vor allem am Wochenende und in der Ferienzeit. Der Ruf nach Regulierungen oder sogar nach Verboten wird langsam lauter. In einigen Regionen sind wegen Überfüllung schon Betretungsverbote ausgesprochen worden. In der Schweiz hat eine spektakulär gelegene Hütte geschlossen, weil der Wirt die Besuchermassen nicht mehr bewältigen konnte (Das Foto der Hütte ging in den neuen Medien viral …).
Overtourism … und Lösungen?
Wie kann der Bergwanderer und Bergsteiger darauf reagieren? Schließlich will man sich weder in die Menschenmassen einreihen, noch selbst ein Teil des Problems werden.
Erstmal hilft eine etwas erweiterte räumliche Sicht auf die Alpen. Es ist nämlich nicht so, dass die gesamten Alpen in der Ferienzeit oder am Wochenende stark frequentiert sind. Es gibt viele Alpenregionen, in denen die Menschen ihre Bergdörfer verlassen, weil sie gerade nicht am Tourismus partizipieren können. Häuser verfallen, Orte sterben aus und die traditionelle Kulturlandschaft verliert ihre Vielfalt.
Viele Orte im Friaul oder im Piemont wären mit etwas Tourismus vielleicht nicht wüst gefallen. (Wer zur ungleichen Entwicklung der Alpenräume mehr lesen möchte, dem sei das Buch Die Alpen – Geschichte und Zukunft einer europäischen Kulturlandschaft wärmstens empfohlen.)
… wenn das Gute liegt so nah
Man muss aber gar nicht soweit gehen. Auch in den vergleichsweise touristischen Deutschen oder den Tiroler Alpen gibt es viele Regionen, die relativ moderate Touristenzahlen aufweisen. Leider ist es ein Zeichen der heutigen Zeit, dass bestimmte Ziele – aus welchen Gründen auch immer – besonders bekannt werden, und dann zu touristischen Hotspots avancieren.
Die Gründe liegen nicht allein bei den neuen Medien, diese tragen aber enorm zur Konzentration der Tourismusströme bei. Ein Beispiel wäre da der Ort Hallstadt am Hallstätter See. Hier haben vor allem die idyllischen Fotos auf Facebook und Instagram zu einem extremen Beispiel von Overtourism geführt. Anderswo, wie in Kitzbühel, zieht das Image von Prominenz und Schickimicki viele Gäste an – mit entsprechenden Posts in die Community. Wieder anderswo fühlen sich besonders Ballermann-Touristen zu hause. Diese Orte werden zum Mekka der jeweiligen Szene und ziehen immer mehr Besucher an.
Wie reagiert man nun als Bergsteiger oder Bergwanderer, wenn man weiterhin Touren in den Alpen machen will, ohne den Übertourismus zu fördern? Sollen wir zu Hause bleiben? Das kann ja eigentlich nicht die Lösung sein.
Das braucht aber auch nicht die Lösung zu sein, denn mit räumlicher und zeitlicher Flexibilität entgeht man nicht nur den Menschenmengen, sondern trägt auch zu einer gleichmäßigen Auslastung der touristischen Infrastrukturen bei. Zusätzlich kann man bei der Planung z.B. auf nachhaltige Energieversorgung der Übernachtungsangebote etc. achten. So kann der Tourismus die gewachsenen Strukturen nachhaltig fortentwickeln und die Schäden des Overtourism vermeiden.
Räumliche Flexibilität
So spricht nichts dagegen, weniger populäre Alpentäler zu besuchen. Das fördert die lokale Wirtschaftsstruktur und bietet den Menschen dort ein Auskommen. Und wer glaubt, die beliebtesten Ziele wären auch die attraktivsten, schönsten oder interessantesten, der irrt. Auch, wenn geschickte Werbung das weiß machen will.
Um den Nachhaltigkeitsgedanken zu fördern könnte man gezielt Regionen besuchen, die auf brachiale touristische Infrastruktur verzichten, nachhaltigen Tourismus anbieten und bewusst die naturnahe Landschaft pflegen. Diese sind meist deutlich weniger in den Medien präsent und werbemäßig weniger aktiv, als Orte wie Ischgl & Co.
Zeitliche Flexibilität
Vielleicht muss man sich ja auch nicht gerade an Pfingsten, den schönen Sommer-Wochenenden oder in der Ferienzeit in die Ströme von Bergfreunden einreihen. Vor der Hauptsaison oder danach sind auch in beliebten Gebieten nur recht wenige Berg-Touristen unterwegs. Die Wirte von Almen und Berghütten freuen sich, wenn dann noch ein paar Besucher kommen. Und Monate wie z.B. September oder Oktober sind oft perfekt für Bergtouren geeignet.
Das gleiche gilt für die Wochenenden. Durch die Flexibilisierung der Arbeitswelt ist es vielleicht ja auch möglich, seine Tour in die Woche zu verlegen, wenn an beliebten Spots wie um Berchtesgaden oder Garmisch-Partenkirchen weniger Betrieb herrscht.
Ein paar Routen und Regionen stellt die Seite „Ruhige Touren in den Alpen“ kurz vor.
Nachhaltigkeit vs. Overtourism
Viele Orte, und das sind oft gerade die, die bislang von Touristen nicht überschwemmt werden, versuchen sich an nachhaltigen Konzepten. Ausbau des ÖPNV, Beschränkungen im Infrastrukturbereich (keine großen Liftanlagen oder Spaßbäder), Unterstützung der Kleinbäuerlichen Landwirtschaft uvm. wird von Naturliebhabern zunehmend geschätzt. Leider muss man aber oft erst mal etwas suchen, um solche Orte zu finden. Ein Beispiel sind die sog. Bergsteigerdörfer, die sich zusammengeschlossen haben, um der Marketingmacht der großen Skiorte etwas Nachhaltiges entgegen zu setzen.
Die meisten Namen der dort vertretenen Orte wird kaum jemand kennen. Sie garantieren aber eine intakte Landschaft und eine schonende nachhaltige Entwicklung. Gleichzeitig sind sie auch landschaftlich oft wirklich attraktive Geheimtipps.
Eine nachhaltig wirksame touristische Struktur setzt natürlich auch das schonende Verhalten der Touristen in den Alpen voraus.
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