Schwindelfreiheit & Höhenangst

In verschiedenen Wanderbeschreibungen liest man immer wieder von der für eine Bergtour notwendigen Trittsicherheit und Schwindelfreiheit. Aber was ist Schwindelfreiheit eigentlich? Und ist Schwindelfreiheit das Gegenteil von Höhenangst?

Schwindelfreiheit vs. Höhenangst

Um es gleich vorweg zu sagen, Höhenangst und Höhenschwindel sind zwei verschiedene Dinge.

Trittsicherheit und Schwindelfreiheit
Trittsicherheit und Schwindelfreiheit braucht es für viele Touren in den Alpen.

Was ist also Schwindelfreiheit?

Schwindelfreiheit meint, dass man sich auf ausgesetzten Bergsteigen und im steilen Gelände sicher und angstfrei bewegen kann. Stellen wir uns einen 40 bis 50 cm breiten Wanderpfad vor: Das Überschreiten von schmalen Graten auf solchen Pfaden oder das Begehen von Wanderpfaden in steilen Felswänden sollte (fast) genauso entspannt möglich sein, wie wenn dieser Pfad durch eine ebene Wiese verläuft. Wer das schafft, der ist schwindelfrei.

Wenn man unter Höhenschwindel leidet und diese Szenarien nicht sicher bewältigen kann, dann kann das körperliche Ursachen haben. Das Gleichgewichtsgefühl ist ein sehr komplexes System. Von den Fußsohlen über die Augen bis zu den Ohren sind diverse Organe des Menschen daran beteiligt.

Sehr wichtig ist die Rolle der Augen. Während wir gehen, orientieren wir uns immer unbewusst an der Umgebung. Im seitlichen Blickfeld nehmen wir z.B. den Horizont oder andere feste Objekte war. Wenn nun in Gebirge und in ausgesetzten Situationen diese Orientierung fehlt, dann fängt der Kopf leicht und unmerklich an zu schwanken. Da sich diese Schwankung auf den Körper überträgt, wird ein sicheres Gehen immer schwieriger und das Schwindelgefühl nimmt zu.

Die gute Nachricht aber ist, dass man sich dieses Schwindelgefühl bis zu einem gewissen Maße abtrainieren kann. Je öfter man sich der entsprechenden Situation aussetzt, desto eher kommt das Gleichgewichtsgefühl mit dem ungewohnten Gelände klar. (Vermutlich ist dies der geeignete Ort, um auf meine > Kurse zum Thema Gehtechnik hinzuweisen.)

Schwindelfreiheit kann man trainieren.
Schwindelfreiheit kann man trainieren.

Tipps zum Umgang mit Schwindel auf der Tour

Und es gibt auch ein paar Tipps, wie man beim Berg-Wandern in der konkreten Situation handeln und den Höhenschwindel in den Griff bekommen kann:

  1. Der Blick sollte immer dahin gerichtet werden, wohin die nächsten Schritte gesetzt werden. Blicke in die Tiefe oder in die Ferne sollten während des Gehens vermieden werden. Wer trotzdem Fernblick genießen will, der sollte eine kurzen Stopp einlegen.
  2. Kommt man um den Blick in die Tiefe z.B. beim Abstieg nicht herum, dann sollte man möglichst dafür sorgen, dass kontrastreiche Objekte im seitlichen Blickfeld stehen, z.B. Felsen, Büsche oder Bäume.
  3. Fatal ist das Beobachten bewegter Objekte wie Flugzeuge, Vögel oder Wolken. Auch den Blick durch ein Fernglas oder eine Kamera, besonders durch ein Teleobjektiv sollte man vermeiden. Zum Fotografieren sollte man also auch kurz an einer sicheren Stelle stehen bleiben.
  4. Der Bergsteiger sollte eine natürliche Kopfhaltung wahren, das heißt, den Kopf nicht zu sehr in extreme Positionen bewegen, denn das irritiert das Gleichgewichtsgefühl zusätzlich.
  5. Wo möglich, sollte man mit der Umgebung in Handkontakt bleiben. So kann man sich entweder mit einem Stock oder der Hand am Hang abstützen (Körperschwerpunkt im Griff behalten!) oder an einem Felsen, Strauch oder Seil festhalten. Wobei Festhalten nicht das richtige Wort ist. Es geht nicht darum, sich wirklich dort zu fixieren, sondern nur darum, ein Gefühl für das Gleichgewicht zu behalten. Dabei hilft manchmal sogar schon ein Grashalm.
  6. Im Extremfall kann man sich auch auf alle Viere begeben. Dabei sollte man aber beachten, dass die Rutschgefahr dadurch enorm zunimmt.
  7. Übrigens kann auch das Gleichgewichtsgefühl darunter leiden, wenn man zu wenig getrunken hat. Auch bei dem Thema Schwindelfreiheit sollte man also auf eine gute Wasserversorgung des Körpers achten.
  8. Zu guter Letzt hilft es auch, sich auf seine Atmung zu konzentrieren. Ruhiges und tiefes Ein- und Ausatmen helfen auch beim Aufbau eines guten Gleichgewichtsgefühls.

Höhenangst ist eine andere Geschichte

Übrigens ist Tiefenangst nicht das Gegenteil von Höhenangst, sondern beides ist das gleiche und nennt sich auf schlau Akrophobie. Diese irrationale Angst kann auf Berggipfeln, Türmen, Brücken oder Balkonen auftreten – also auch an Stellen, die objektiv sicher sind.

Auch wenn Angst im Grunde ein gesunder Mechanismus beim Menschen ist, der sensibel für Gefahren macht und schnelle Reaktionen ermöglicht, so ist eine unbegründete Angst doch eher ein Hindernis und löst Gefahren aus.

Höhenangst
Höhenangst beim Blick in die Tiefe?

Mit Höhenangst können, je nach Ausprägung, körperliche Reaktionen wie Herzrasen, Atemnot, Benommenheit, Schwindel, Schwitzen, Brustschmerzen und Ähnliches einher gehen. Die aufkommende Panik behindert ein rational vernünftiges Denken und Handeln und führt oft zu Blockaden. (Übrigens ist ein großer Teil der Rettungseinsätze in den Alpen mittlerweile auf diese Blockaden zurückzuführen.)

Höhenangst besiegen, aber wie?

Aber was tun, wenn man unter Höhenangst leidet? Eine Voraussetzung für den Abbau der Angst ist der Aufbau der eigenen Trittsicherheit und Schwindelfreiheit. Entspannungstechniken und psychotherapeutische Maßnahmen zielen darauf ab, die eigene Sicherheit und Selbstsicherheit wiederzufinden. Durch einen rational reflektierten Umgang mit der Angst und durch praktische Übungen soll diese beherrscht werden. Aber auch medikamentös kann Höhenangst behandelt werden. Diese Bereiche sprengen allerdings den Kompetenzbereich eines Bergführers oder TrekkingGuides, daher sollte man sich hier an die Ärzte und Psychotherapeuten halten.

Das waren in groben Zügen die Eigenschaften von Höhenschwindel und Höhenangst. Die Themen Trittsicherheit und Ausdauer behandle ich an anderer Stelle. Auch zum Thema Panikattacken habe ich etwas geschrieben.

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